Wissenswertes und Tipps - Malermesiter Wölfle Weilheim

Veralgung / Mikrobieller Bewuchs von Fassadenflächen

Das Verschmutzen von Fassadenflächen durch mikrobiellen Bewuchs ist nun seit vielen Jahren ein hinlänglich bekanntes Problem, das aber nach wie vor nichts von seiner Aktualität eingebüsst hat. Im Allgemeinen spricht man von "Veralgung von Fassadenflächen" - gemeint ist jedoch die komplette Bandbreite an pflanzlichen Organismen, die günstige Bedingungen zur Besiedelung auf der Fassade vorfinden: Algen (in erster Linie Grünalgen, auch wenn sie schwarz oder rot aussehen), Bakterien, Pilze (hauptsächlich Schwärzepilze), Flechten und Moose.

Was auch immer: es stört die ästhetische Wahrnehmung und führt beim Kunden zum nachvollziehbaren Gedanken: "Das habe ich so nicht bestellt - das ist mangelhaft!"
Es ist jetzt müßig und gar nicht möglich, über das Thema "Mangel oder nicht" zu diskutieren, da jeder Fall als Einzelfall zu betrachten ist - hier mögen sich die Rechtsgelehrten und Gerichte auslassen. Urteile in allen Variationen gibt es zuhauf - allgemeinverbindlich kann man wohl nur festhalten: Wenn die Hütte ein halbes Jahr nach dem Neuanstrich eher einem Biotop als einer Fassade ähnelt, so ist dies mit hoher Wahrscheinlichkeit ein zu beseitigender Mangel. Wenn jedoch kurz vor Ablauf der Gewährleistung nach vier oder fünf Jahren leichte Schatten oder Schlieren zu erkennen sind, dürfte dies kaum noch einen Mangelbeseitigungsanspruch begründen. Aber auch hier gilt: Ausnahmen bestätigen die Regel. Vor Gericht und auf hoher See sind Sie in Gottes Hand.

Ursachen

Die Mechanismen, die zur Besiedelung führen, sind auch bestens bekannt und erforscht: Zur Ansiedelung von Algen ist lediglich eine ausreichende Menge freies Wasser über einen bestimmten Mindestzeitraum an der Fassadenoberfläche erforderlich. Mehr ist nicht notwendig, um zu einem Befall zu führen.
Daß die Nasszeiten von Fassadenoberflächen im Vergleich zu vergangenen Jahren immer länger werden, hat nicht mit einer etwaigen Zunahme von Regenmengen sondern mit reduzierten Oberflächentemperaturen zu tun. Im Zuge der fortschreitenden Energieeinsparbemühungen werden unsere Gebäudehüllen immer besser gedämmt. Dies bedeutet: die Oberflächentemperatur der Fassade ist niedriger als früher, da deutlich weniger Wärmeenergie als früher ihren Weg durch die Aussenmauer bis zum Aussenputz findet. Dies führt zu Unterkühlungen der Fassaden und zu Tauwasserausfall. Besonders gut kann man diesen Effekt im Spätherbst erkennen, wenn an gut gedämmten Häusern der Reif zu sehen ist, während schlechter gedämmte Bauwerke trockene Oberflächen haben. Und so fehlt die Wärmeenergie natürlich auch, um für eine zügige Abtrocknung der durch Tau oder Regen naß gewordenen Fassade zu sorgen. Daher werden die Nasszeiten von Fassaden immer länger.
Zusätzlich begünstigt wurde das Algenwachstum an Fassaden durch die Erfolge der Luftreinhaltung. Nachdem Kraftwerke mit Rauchgasentschwefelungsanlagen ausgestattet wurden, ist der biozid wirksame Schwefelgehalt der Atemluft deutlich messbar gesunken. Diese Randbedingungen stellen für Algenwachstum ein günstigeres Lebensumfeld dar.

Gegenmaßnahmen

Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, den mikrobiellen Befall zu verhindern: Entweder die Naßzeiten der Oberflächen zu reduzieren oder den Einsatz von Fungiziden und Algiziden - kurzgefasst: Gift (auch wenn man in Fachkreisen den Begriff "Wirkstoff" lieber hört).

Bei der Möglichkeit Eins stößt man oft gegen eine Mauer aus Dummheit und Uneinsichtigkeit: Architektonische Luftschlösser, Selbstverwirklichungsphantasien, mediterrane Gefühlsduselei oder Bauhausstil. Der namhafte, österreichische Sachverständige Michael Hladik hat den Begriff "KKU-Architektur" geprägt und meint damit: "Kantig, kubisch, ungeschützt". All das, was Fassaden zu einem Pflegefall macht, für kurze Renovierungsintervalle und hohen Verschleiß sorgt. Auch wenn es dem von Modetrends geprägten Geschmack so manches Architekten widerstrebt: Dachüberstände haben nachweislich einen enormen Nutzen, was den Schutz von Fassaden angeht. Schon geringe Überstände von zwanzig oder dreissig Zentimetern sind in der Lage, etliche Höhenmeter an Fassade zu schützen und abzuschatten. Man muß ebenso wie bei der Holzarchitektur auch bei herkömmlichen Putzfassaden an den Punkt kommen, wo man einen konstruktiven Feuchteschutz schon bei der Planung berücksichtigt. Das A und O eines schadenfreien Bauens lautet nach wie vor "Wasser weg vom Gebäude". Dies heisst für unseren Fall: Tropfkanten und Überstände sind ausreichend zu dimensionieren - eine trockene Fassade bleibt sauber.

Diesen Gedankenansatz hat auch die Putzindustrie aufgegriffen und es wird seit wenigen Jahren mit hydrophilen Putzen experimentiert. Anstatt wie bisher die Putze immer höher wasserabweisend einzustellen werden sie wassersaugend eingestellt, um so die Nasszeiten zu reduzieren. Erste Untersuchungen über einen Zeitraum von vier Jahren haben in der Schweiz bisher zu positiven Resultaten geführt. Technisch handelt es sich um dickschichtige Putzsysteme und reinmineralische Anstriche darüber - vom Grundgedanken her also nichts neues, lediglich wieder ins Bewusstsein gebracht. Daß ungestrichene, dickschichtige Edelkratzputze Jahrzehnte ohne Veralgung überstehen, dürfte jeder nachvollziehen können, der sie schon mal mit einem Hochdruckreiniger bearbeitet hat: Da kommt kein Tropfen Wasser bis zum Erdboden - der Putz säuft alles auf. Allerdings wird dieses System nicht alle Probleme lösen sondern sich wohl ähnlich wie der Reinsilikatfarbenanstrich auf ein Nischendasein beschränken.

Weitere Einflussfaktoren hinsichtlich der Feuchtigkeit auf Putzoberflächen lassen sich vom Nutzer des Gebäudes beeinflussen: Die Unsitte der Dauerkipplüfung von Fenstern führt in der kühleren Jahreszeit zu andauerndem Tauwasserausfall im Sturzbereich über den Fensteröffnungen und hiermit zwangsläufig zu mikrobiellem Bewuchs.

Und so kommen wir zum Anstrichbereich und damit zur chemischen Keule. Wenn der Maler auch nur geringste Anzeichen einer potentiellen Veralgungsgefahr bei einem zu beschichtenden Gebäude erkennt, so ist er gut beraten, den Anstrich zusätzlich fungizid ausrüsten zu lassen. Andernfalls muß er sich im Streit- und Schadensfalle möglicherweise vom Gericht ein fahrlässiges Handeln vorwerfen lassen, was ein Schadenersatzanspruch begründen kann. Aber auch dieser Einsatz der Filmkonservierung ist keine Garantie für irgendetwas: Es hängt von vielen Faktoren ab, wie lange die biozide Wirkung vorhält: Zum einen von den Naßzeiten, die sich ergeben aus der Lage des Gebäudes (städtisch, Waldrand etc), Ausrichtung der Fassadenfläche, Abschattung oder Sonnenbestrahlung, Dachüberstände, Windrichtung und Windstärken, Nebelzonen (in der Schweiz mit ein Problem). Auch der Farbton der Fassade spielt hier eine Rolle, da sich dunkle Fassaden im Gegensatz zu weißen auch im Winter schnell durch Sonnenlicht aufheizen. Zum anderen hängt es natürlich von der Art und Menge des Wirkstoffs ab: wie dünn und wie oft die Fassade gestrichen wurde, welche Biozide eingesetzt wurden, wie schnell die Auswaschung des Wirkstoffs vonstatten geht.

Stand der Dinge

Zum heutigen Stand kann man zusammenfassend festhalten: Biozide aus Fassadenfarben müssen wasserlöslich sein, um wirken zu können und waschen sich mehr oder weniger schnell aus den Beschichtungen aus. So kann bei manchen schon nach einem halben Jahr eine deutliche Auswaschung festgestellt werden. Kaum ein Biozid wird bis zum Ende der Gewährleistungszeit in einer noch wirksamen Konzentration vorhanden sein.
Die ausgewaschenen Biozide wurden schon in Oberflächenwassern nachgewiesen. Nach bisherigem Kenntnisstand gab es noch keinen Nachweis, daß es Biozide bis zum Grundwasser verschlagen hätte.

Untersuchungen vom Fraunhofer Institut und vom Robert Murjahn Institut kamen zu folgenden Ergebnissen: Kunstharzputze, die nicht biozid ausgerüstet sind, veralgen schneller als mineralische Putze. Werden Kunstharzputze mit Bioziden ausgestattet, so bleiben sie länger befallsfrei als mineralische Putze. Am längsten überstehen jedoch Putze jeglicher Couleur der Veralgungsgefahr, wenn sie mit biozid ausgestatteten Farben überstrichen wurden. Aber: auf dem Bewitterungsstand in Ernsthofen, der für Veralgung günstige klimatische Bedingungen bietet, begannen nach 4 bis 5 Jahren auf allen Oberflächen Algen und Pilze zu wachsen. Dies verdeutlicht, daß man allein durch den Einsatz von Giften keine Bausünden wiedergutmachen kann.